Jul 052023
Erntezeit

Ich habe schon lange nichts mehr für Malawi-Friends geschrieben. Aber jetzt wird es Zeit! Die Ernte steht an und das ist etwas zum Feiern.

Shaba und ich kommunizierten immer wieder mal, wenn sich die Gelegenheit ergab. So erfuhr ich, wie es Shaba in Malawi ergeht. Es ging um die Hühner, um das Radio, um die Benzinknappheit, und um Alltägliches. Und ich erzählte ihm von meinen Sorgen, aber auch von den Freuden mit meinen Söhnen.

Weder hier in Deutschland, noch in Malawi leben wir in Lala-Land, sondern in einer Welt, in der normale Menschen mit alltäglichen Sorgen zu kämpfen haben.

Die Schilderungen aus Malawi sind so anders. Wie das Leben in Malawi wirklich ist, kann ich mir aber immer noch nicht vorstellen. Ich kenne Shaba und ich schätze ihn sehr und ich bewundere seine Tatkraft. Doch manchmal mache ich mir Sorgen. Schafft er das alles? Und dann denke ich, das ist eben Afrika und nicht Europa.

Wir in Europa, in Deutschland, können es uns gar nicht vorstellen, was es heißt, an eine Tankstelle zu kommen und dann stundenlang zu warten. Und dann vielleicht noch vergeblich zu warten, weil die Lieferung, die ein Tanklaster anlieferte, nicht für alle ausreichte. Was würden wir machen?

Wo der Mangel ist, da gibt es auch Menschen, die den Mangel ausnutzen, um einen florierenden Schwarzhandel zu betreiben.

Dann kostet der Liter Benzin halt das Doppelte oder ist wenigstens weit überteuert. Weil man ja auch noch etwas anderes machen muss und auf Benzin angewiesen ist, bezahlt man den Preis. Denn der Stromgenerator, das Motorrad oder das Auto brauchen es. Ohne Benzin geht nichts.

Wir können es uns nicht vorstellen, wie es ist über mehrere Stunden keinen Strom zu haben. Keine Nachrichten hören zu können, kein Licht am Abend zu haben.

Ich denke, wir in Europa nehmen alles einfach so hin. Wir denken vielleicht, wir hätten Gottes Segen, weil hier alles so “flutscht”. Die Ungläubigen denken nicht einmal über Gott nach. Alles meins. Egoismus ist doch normal. Uns geht es sogar so gut, selbst wenn wir in prekären Umständen leben. Wenigstens gibt es Strom. Geld kommt am Monatsanfang aufs Konto. Sogar noch vor dem Ersten. Selbst das ist ein Privileg. Statt Dankbarkeit empfinden wir Unzufriedenheit. Wir vergleichen uns mit anderen Menschen, denen es besser geht.

Und wir lassen uns zusätzlich Ängste einreden, wegen Klima, wegen Krieg, wegen Corona, wegen Inflation. Es ist unglaublich, wie wenig wir eigentlich wissen, wie das Leben anderswo ausschaut, wo es viel krasser ist. Viele werden in diesen Ängsten gehalten. Sie sehen keinen Ausweg.

Es gibt ja diese Endzeitsekten. Sie bombardieren uns mit diesen kranken Gedanken. Sie möchten unsere Seelen vergiften. Über alle medialen Kanäle denen man sich kaum entziehen kann. Wir sind irgendwie gelähmt. Wir warten auf etwas, aber wir warten nicht etwa auf dem Messias, sondern darauf dass unsere Heizprobleme gelöst werden, wir warten auf Wärmepumpen und Photovoltaik und Elektroautos. Denn dann wird alles wieder gut. Dann ist das Klima gerettet. Dann ist der Krieg zu Ende. Dann kommt das Digitalgeld, damit weniger Keime übertragen werden. Dann werden wir nichts besitzen und wir werden glücklich sein.

Ich wette, wenn der erste Stromausfall kommt, wird diese Glückseligkeit ein jähes Ende finden. Panik, weil wir unsere Smartphones nicht laden können. So irrational.

Mittlererweile ist Ernte. Sie war auf Mitte Mai bis Mitte Juni geplant. Es war Mitte Mai, als mich Shaba anrief, und mich bat, die Ernte mit Benzin, leeren Säcken und mit Arbeitern zu unterstützen. Der Reis sei schon relativ trocken und es gehe darum, ihn jetzt zu ernten, sonst droht der Reis auf den Boden zu fallen und wäre verloren.

Da Zeit Geld ist, wie wir hier sagen, musste ich die Ernte unterstützen. Geschwindigkeit ist alles. Bei der Einbringung der Ernte entscheidet sich nicht nur, wie viel Geld man erwirtschaftet, sondern wie man die Ernte optimal reinvestiert, also wieviel Reis für die nächste Aussat gewonnen werden kann. Und ob anstatt auf 8 Hektar vielleicht auf 12 Hektar ausgesät werden

Ich sage es hier noch einmal: Ich möchte, dass dieses Projekt erfolgreich wird. Ich glaube auch daran, dass es Gottes Wille ist, das Shaba, Pastor Killion, dies umsetzt. Das Projekt ist zwar viel zu groß für einen Mann allein. Aber Gott benutzt oft einzelne Männer. Ich habe aber die Hoffnung, dass dieses Beispiel der Liebe Gottes Schule macht und dass Shaba für dieses gebeutelte Land Dinge umsetzt, die nicht möglich gewesen wären, ohne die Eigenleistung und auch die Unterstützung von Menschen aus Europa. Vielleicht entwickelt sich in den kommenden Jahren eine Landwirtschaft auf genossenschaftlicher Basis, oder wie ich es aus Israel kenne, wie ein Moshav oder ein Kibbuz. Ich hoffe, Pastor Killion ist so ein Mann Gottes, der Dinge in diesem Land bewegen kann.

Ja, ich frage mich immer wieder, wie es möglich ist, so viele Dinge zu machen, ohne einen Burnout zu bekommen. Man macht es einfach aus Liebe.

Zu mir möchte ich auch sagen, dass meine finanziellen Ressourcen schon knapp sind. Ich kann nicht allein die ganzen Arbeiter finanzieren. Darum bin ich froh und dankbar über jede Unterstützung von Freunden. Trotzdem finanzierten ich (und meine liebe Frau) 80% des Projekts.

Und zwischendurch kommt zum Beispiel eine Reparatur des Autos dazwischen. Shaba sitzt 2 Tage in Lilongwe fest und ist auf meine Unterstützung angewiesen. Klar versuche ich ihm zu helfen und etwas Geld zu senden. Dann hindern die Finanztransakteure den Transfer, wollen Bestätigungen, und verzögern die Transaktionen. Dabei geht es lediglich um kleine Summen je Transaktion von vielleicht 100 oder 140 Euro. Schon sehr ärgerlich.

Shaba ist immer bescheiden. Er bittet nicht gern um Geld.

Mir ist es wichtig, dieses Projekt noch ein wenig anzustoßen. Mein Wunsch ist, dass es ab einem bestimmten Punkt von alleine läuft. Mein Wunsch ist es, dass Gott Shaba Menschen zur Seite stellt, die ihm helfen, um damit sich selbst zu helfen. So selbstlos es irgend geht.

“The rich are staying rich and the poor are staying poor.”, wie es Leonard Cohen so trefflich formuliert. “That’s how it goes. Everybody knows.” Ich möchte mich nicht damit abfinden. Ich glaube auch nicht, dass es Gottes Plan ist, dass Menschen leiden oder arm sind. Doch diese Strukturen sind jahrhundertealte, gewachsene Strukturen. Kann man sie durchbrechen? So, wie einst unsere alten guten deutschen Christen, wie etwa Gustav Werner, den Gründer der Bruderhaus Diakonie, Johann Hinrich Wichern oder Adolph Kolping, die die Nöte ihrer Zeit erkannt haben und die Welt mit ihrem Einsatz ein klein wenig besser gemacht haben. Shaba Killion hat eine Vision und auch ich habe eine Vision für eine bessere Welt. Die Armut ist immer noch eine Geißel der Menschheit. Darum helfe ich. Es braucht Männer mit Visionen. Und allzu oft haben Männer mit Visionen nicht ausreichend Mittel um etwas zu verändern.

Nächstes Jahr möchte ich auf jeden Fall nach Malawi, um bei der nächsten Ernte dabei zu sein. So Gott will und ich lebe.